DREAMBOOK

Buchbesprechungen – keine Verrisse …

Evolution ohne uns

Menschen vergessen, Festplatten nicht
Menschen fühlen, Maschinen nicht!

Das Buch ist Ergebnis einer mehr als zweijährigen Investigativrecherche zum Thema Künstliche Intelligenz. Ausschnitte daraus erschienen bereits vorab in Cicero, im Playboy und in der Welt am Sonntag. Eher zufällig kam es in den Stapel meiner Rezensionen, nachdem meine Frau es bei einer Buchvorstellung vom Autor geschenkt bekam und mir berichtete, dass es bald auf Chinesisch erscheinen wird: Also global relevanter Lesestoff, der mich sofort anzog. Außerdem liegt es wischen zwei anderen Bücher mit ähnlichem thematischem Querschnitt die ich gerade lese: Ein Science Fiction-Roman und eine eher esoterische Abhandlung. In allen geht es um nicht weniger als das Überleben der Menschheit.

Evolution ohne uns
Wird künstliche Intelligenz uns töten?
von Jay Tuck
gebundene Ausgabe, 336 Seiten
Plassen Verlag, Auflage: 1 (10. August 2016)
ISBN-10: 3864704014
ISBN-13: 978-3864704017
14,4 x 3,5 x 22,1 cm
EUR 19,99

Der Autor Jay Tuck ist US-Sicherheitsexperte, Journalist, Fernsehproduzent, Buchautor, Werbesprecher und Vortragsredner. In seinen 35 Jahren beim deutschen Fernsehen war Tuck investigativer Reporter für den NDR und WDR, Kriegsberichterstatter der Tagesschau und leitender Redakteur derTagesthemen. Heute produziert er weiterhin Sendungen und Technologiemagazine für das deutsche Fernsehen, den National Geographic Channel und Al Jazeera. Als anerkannter US-Kriegsdienstverweigerer zog er 1969 nach Deutschland, wo er während des Vietnamkrieges zwei Jahre lang einen zivilen Ersatzdienst in der Jugendarbeit in Hamburg ableistete. Heute lebt er mit seiner Frau und seinen drei Kindern ebenda.

Spannend ist der Stoff von der ersten bis zur letzten Seite. Anhand von Meldungen und Berichten aus den vergangenen zwei Jahrzehnten und deren detaillierter Darstellung werden einem Schritt für Schritt die Augen geöffnet für ein großes Bild, das sich immer deutlicher abzeichnet: Der Gefahr, dass unsere Spezies von einer selbst geschaffenen allumfassenden global-vernetzten künstlichen Intelligenz bedroht wird. Die hochaktuellen Beispiele reichen von Abhöraktionen, Big Data, Cyberwar, Data Fusion, Drohnen- und Mikrowaffen, Handyüberwachung bis hin zu Smart Home und Smart City; dem bald in allen unseren Lebensbereichen agierendem Internet der Dinge.

Eine künstliche Intelligenz, uns um ein Vielfaches überlegen, ist nicht mit ethischen Grundsätzen ausgestattet. Sie wurde für andere Zwecke geschaffen. Ihr Ziele lauten: Effizienz, Geschwindigkeit, Wachstum, Exzellenz – ganz ohne moralische Bedenken. Diese Tatsache kann schnell zu einer unkontrollierbaren Katastrophe führen, die die gesamte Menscheit auslöscht. Viele kluge und wichtige Köpfe wie Stephen Hawking und Elon Musk warnen seit Jahren davor.

Der Autor lässt uns gegen Ende des Buches allerdings nicht allein mit dem Bild der Bedrohung; er nennt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die wir ergreifen können. Nicht nur als Einzelne, sondern als Gemeinschaft. Auf nationaler Ebene, in der EU, in den Vereinten Nationen, in Wissenschaftsgremien und vor allem im Verbund des Internet. Aber Vorsicht; die künstliche Intelligenz lauert überall!

Dass hier ein versierter Journalist am Werk war, wird schon nach den ersten Sätzen deutlich. Der Autor schafft es mit einfachen Worten, in relativ kurzen Sätzen und spannender Erzählstruktur das doch sehr komplexe Thema allgemeinverständlich rüberzubringen. An einigen Stellen wirken jedoch Alliterationen und mantrenhaftes Frage- und Antwortspiel ein wenig manieristisch. Häufige Wiederholungen von Inhalten geben den Eindruck, dass hier etwas eingetrichtert oder eingehämmert werden soll. Auch ohne inhaltliche und stilitische Einbußen hätte der Stoff auf 280 Seiten reduziert werden können.

Die gewählte Schrift ist sehr gut lesbar, der Einband funktionell, allerdings ohne Lesebändchen. Die Kapitel sind mit Unterkapiteln gut strukturiert. Inhaltlich fehlt es an Nichts zu diesem umfassenden Themenkomplex. Eine gute Ergänzung sind die Änhänge: Beispiele von Dialogen mit Künstlicher Intelligenz, Liste von Facebooks Gender-Bezeichnungen, Beispiele von Überwachungs-Tools, Tarnkleidung gegen Drohnenortung, die Google-Verfassung, einen offenen Brief globaler KI-Gegner sowie mehrere farbige Fotos.

Ich halte das Buch für das derzeit wichtigste deutschsprachige populär-wissenschaftliche Werk zum Thema Künstliche Intelligenz und kann es wärmstens empfehlen. Trotzdem rate ich es nur dann zu lesen, wenn man „gut drauf ist“. Bei mir hat es bisweilen depressive Stimmungen ausgelöst.

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