Ein König, und nicht irgendeiner, sondern der zu seiner Zeit mächtigste Herrscher der bekannten Welt, hat abgedankt und verbringt seinen Lebensabend in einem zugigen, feuchten Kloster in den Bergen Südwestspaniens. Er hadert mit sich und seinem Leben. Seine Memoiren hat er gerade dem Kamin anvertraut. Doch es naht Rettung in Form einer unerwarteten Reise …
Reise nach Laredo Roman von Arno Geiger Carl Hanser Verlag, München 2024 Gebunden, 272 Seiten ISBN 978-3446281189 13,5 x 20,8 x 2,5 cm EUR 12,- Audio-CD EUR 26,- Hörbuch EUR 9,95 im Audible Audio
Schon die Coverillustration von Stefanie Naumann, die mittels künstlicher Intelligenz generiert wurde, ist wunderschön und steigert die Vorfreude fürs Lesen. Vor einigen Jahren habe ich die gleiche Region zur gleichen Jahreszeit bereist. Viele meiner Eindrücke wurden beim Lesen wiederbelebt. Zumal ich mich bei der Lektüre keine 300 km entfernt vom Ziel der Reise des Romans befand.
Arno Geiger ist mit diesem Buch ein ganz großer Wurf gelungen. Vor mehr als zehn Jahren las ich begeistert „Der alte König in seinem Exil“, über die Demenz seines Vaters. Das neue Buch knüpft gefühlt hier an. Die subtilen Schilderungen der Gemütszustände, Wahrnehmungen und Gedanken des abgehalferten, bereits vom nahen Tode gezeichneten König, haben mich in ihren Bann gezogen.
Die Persönlichkeit des Königs und die der wenigen anderen Protagonisten des Buchs, werden so greifbar gezeichnet, dass man meint, sie schon ewig zu kennen. Die Beschreibungen von Handlung und Landschaft sind so plastisch, dass man meint, schon einmal dort gewesen zu sein. Drehbuchreif. Das Buch schreit danach, verfilmt zu werden.
Schon nach den ersten Seiten habe ich Wikipedia und andere Quellen zum Hintergrund dieser fabulierenden Geschichtsschreibung befragt und bin immer mehr ins Staunen gekommen darüber, wie geschickt Fakten und Fiktion verwoben wurden. Ich bin von jeher der Auffassung, dass eine gute Geschichte mindestens zur Hälfte erdichtet sein muss.
Dieser Wunsch wurde mir erfüllt. Arno Geiger hat tief die Trickkiste des magischen Realismus gegriffen. Mit Blicken in die Welt der Ausgegrenzten, in die Neue Welt und die Welt der Fabelwesen. Aber das macht er auf so elegante Weise, dass man sich, wie bei einem Illusionisten oder Zauberer, fragt: Wie hat er das gemacht? Im letzten Kapitel erfolgt dann eine Auflösung.
Das Papier ist griffig, die Schriftgröße ausreichend, nur die enge Stellung im Blocksatz irritiert manchmal, wenn am Satzende der Abstand von Punctum und Satzanfang verschmelzen. Und, ich vermisste ein Lesebändchen. Die Klappen des Schutzumschlags als Lesezeichen benutzend, haben immer wieder Eselsohren gezeitigt.
Der Autor ist heute so alt, wie der König war, als er abdankte. Ich bin bereits acht Jahre älter, als der König am Ende geworden ist. Die Lektüre ist eine Wohltat für alle, die mit sich ins Reine kommen wollen. Am Ende wird alles gut. Und wenn noch nicht alles gut ist, dann ist es auch noch nicht das Ende.
Auch dieses Buch hatte ich eigentlich gar nicht vor zu lesen. Es lag auf dem Nachttisch meiner Liebsten. Sie hatte es von einer Freundin geliehen bekommen. Viele der Seiten waren am oberen Rand mit Eselsohren markiert. Das machte mich neugierig. Die Illustration des angeketteten Elefanten auf dem Cover führte mich gleich in die erste Geschichte.
Komm, ich erzähl dir eine Geschichte von Jorge Bucay übersetzt aus dem Spanischen von Stephanie von Harrach Fischer Taschenbuch, Frankfurt 2008 Gebunden, 288 Seiten ISBN 978-3596170920 12,5 x 1,9 x 19 cm Taschenbuch EUR 12,- Hörbuch EUR 9,95 im Audible Abo
In dem Buch geht es um Demian, einen jungen Mann, der in Buenos Aires regelmäßig zur Psychotherapie geht, bei Jorge, dem Dicken, der die Sitzungen Mate trinkend und meist im Plauderton anleitet. Die Dialoge, die Fragen und Antworten der beiden Protagonisten sind nur Prolog und Epilog zum Hauptteil einer jeder Sitzung, eines jeden Kapitels …
Der Kern ist nämlich eine Geschichte, ein Märchen, eine lehrreiche Erzählung, in der der Konflikt oder das Thema des Tages anschaulich dargestellt wird. Auf vielfältige Art werden wir in jeder der mehr als fünfzig Sitzungen, mit der Nase auf alle Tricks gestoßen, die uns unsere Psyche spielt und die uns daran hindern, das uns innewohnende Potential zu entfalten.
Unter anderem gelingt es dem Autor bravourös, auf nur knapp zwei Seiten, die wesentlichen Unterschiede der drei gängigen Therapieformen — Psychoanalyse, Behaviorismus und Gestalttherapie — so herauszuarbeiten, das auch ein Laie sie gut versteht. Der Autor Jorge Bucay, führt uns als Gestaltherapeut an wichtige Erkenntnisse von Psychologie, Philosophie und Soziologie – aber auch an uralte Volksweisheiten heran.
Mich hat das Buch gefesselt. Ich werde es mir selbst besorgen, es wieder und wieder zur Hand nehmen und kann es jedem empfehlen, der sich mit psychotherapeutischen Ansätzen vertraut machen, den menschlichen Geist besser verstehen – oder auch einfach nur die eigene Psyche auf Schwachstellen abklopfen möchte.
Wie das von mir zuletzt rezensierte, hat auch dieses Büchlein das Format der Taschenbibliothek, allerdings in etwas weniger bibliophiler Aufmachung. Ich vermisse das Lesebändchen.
So etwas passiert von Zeit zu Zeit: Bücher finden ihren Weg zu mir; Bücher, die ich nicht kaufen würde, die sich mir aber fast unumgänglich anbieten. Dieses Büchlein fand ich in einem Pappkarton unter einer Eisenbahnbrücke, neben zwei Sammelbänden Readers‘ Digest. Bereits auf dem Weg nach Hause begann ich darin zu lesen …
Himmel und Hölle Neun Erzählungen von Alice Munro aus dem Englischen von Heidi Zerning Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 2007 Gebunden, 384 Seiten ISBN 978-3596157075 12,5 x 2,57 x 19 cm Gebunden EUR 13,- eBook EUR 8,99
Die Geschichten spielen allesamt im Kanada der Nachkriegszeit bis hinein in die wilden 1970er Jahre. Menschliche Beziehungen in ihren glücklichen und unglücklichen Irrungen und Wirrungen sind das Thema. Kaum eine Autorin hat so eine feine Beobachtungsgabe für äußerliche und innere menschliche Prozesse von Existenz und Identität entwickelt. Die Plots der Geschichten wirken überhaupt nicht konstruiert, wohl weil selbst Erlebtes und möglicherweise auch Autobiografisches in das Material eingeflossen ist. Es werden Szenen beschrieben, die ohne Übersetzung durch Drehbuchautor oder Regie verfilmt werden können – einschließlich feinster mimischer Details der Protagonisten.
Die Übersetzung erscheint gelungen, auch wenn dabei einige amerikanische Redewendungen und Idiome an Prägnanz verloren haben. Übrigens finde ich den Originaltitel aufschlussreicher: „Hateship, Friendship, Courtship, Loveship, Marriage“.
Überraschend (weil bisher an mir vorbeigegangen) und sympathisch ist für mich das kleine kompakte Format der Taschenbibliothek, mit den abgerundeten Ecken des Buchblocks und den kräftigen Pappdeckeln des Umschlags. Mit seinem Lesebändchen hat es einen ausgeprägt bibliophilen Charakter. Alice Munro hat dieses wunderbare Buch im Original 2001 veröffentlicht, zwölf Jahre bevor sie den wohlverdienten Literaturnobelpreisträger erhielt.
Das von mir an einem langen Sonntagnachmittag im aprilhaften Juni durchgelesene, physisch etwas dünn geratene, aber inhaltlich gehaltvolle, lebenskluge Büchlein, ist ein literarisches Schatzkästchen. Meist im Plauderton schreibend, streckenweise vor Optimismus sprühend, betrachtet die Autorin ihr Leben in der Rückschau, verweilt im Hier und Jetzt und sinniert über das was noch kommen mag.
Altern – Alle wollen alt werden, niemand will es sein. Ist das nicht absurd? Essay von Elke Heidenreich Hanser Berlin, Berlin 2024 Gebunden, 112 Seiten ISBN 978-3446279643 12,7 x 1,7 x 20,4 cm EUR 20,- Hörbuch EUR 9,-
„Aus der Summe der glücklichen Augenblicke setzt sich das Glück des Lebens zusammen.“
Elke Heidenreich, die „grande Dame“ der deutschen Literatur, brauch ich nicht vorzustellen. Man kennt sie aus Fernsehsendungen und Talkshows. Auch in diesem Buch schreibt sie so, wie sie spricht – und wahrscheinlich auch denkt. Der Text geht mir sehr nah; auch wenn mich noch vierzehn Jahre von ihrem Alter trennen, beschäftigt mich das Thema seit Jahren. Auch im Alter von Achtzig sieht die Autorin das halb volle Glas, wie auch das halb geleerte.
„Die Kunst des Lebens besteht darin, jung zu sterben, das aber so spät wie möglich.“
Über das Altwerden haben bereits Einige geschrieben. Vieles davon taucht hier wieder auf: philosophische Erkenntnisse, Aphorismen, Gedichte, Dialogfetzen aus Romanen, Theaterstücken, vom Film, aus der Oper – von Albert Einstein bis Robert Walser, von Elias Canetti bis Julian Green, von Goethe bis Martenstein:
„Wir Alten sind im Vorteil: wir wissen wie es ist, jung zu sein.“
Die vielen Aspekte des Alterns im gesellschaftlichen Kontext werden ebenso beleuchtet, wie die persönlichen, die durch die Beziehungen zu anderen Menschen geprägt sind. Das soziale Umfeld, das Land in dem wir leben, das von den Eltern überlieferte, unsere Gesundheit und Physis; vor allem aber auch unsere finanzielle Situation. Die Geschlechter werden beim Älterwerden unterschiedlich gesehen und behandelt. Alterseinsamkeit trifft Männer viel häufiger und schwerer.
„Ganz andere Leben haben auch ganz andere Alter.“
Dem Altern steht das Jungsein gegenüber, die Zeit der ungestümen Torheiten. Älteren Menschen wird nicht mehr so viel zugetraut, wie jüngeren. Auch mit der Altersverachtung rechnet die Autorin ab: Wir sollen die Generation sein, die es verkackt hat? Schiebt uns alten nicht die Schuld an allem zu. Kapiert es bitte: Wir sind nicht mehr zuständig!
„Ganz und gar verboten im Alter ist das große Aufbäumen.“
Das kann doch noch nicht alles gewesen sein. Doch, das war’s. Damit sollte man sich enstpannt abfinden. Was dann noch bleibt: sich Zeit für Herzenssachen nehmen, in Erinnerungen leben, sich von Dingen trennen, sich von Menschen verabschieden und schlussendlich die Überlegung, was ist, wenn das alles zu ende geht. Alles in allem eine tröstliche, eine heitere Lektüre.
Fast alles habe ich von diesem begnadeten Meister des fantastischen Realismus gelesen; das meiste auf Deutsch, einiges auf Englisch, noch nichts auf Japanisch. Dieser neue Roman hat mich wieder in die Stimmung versetzt, die ich seit der Lektüre von „Kafka am Strand“ so gut kenne und die so schwer zu beschreiben ist.
Die Stadt und ihre ungewisse Mauer Roman von Haruki Murakami vom Japanischen übersetzt ins Deutsche von Ursula Gräfe DuMont Buchverlag, Köln 2024 Gebunden, 640 Seiten ISBN 978-3832168391 14,4 x 4,7 x 21,2 cm EUR 34,- eBook EUR 27,99
Ich kenne das Licht dort, die Gerüche, den Geschmack, die Menschen. Es löst eine fast kindliche Sehnsucht in mir aus: die Sehnsucht, nicht im Hier und Jetzt verhaftet zu sein, sondern sich mit dem Bewusstsein frei bewegen zu können. Die Worte reihen sich wie von selbst aneinander, als würden die Worte beim Lesen aus mir selbst entstehen. Dadurch entsteht eine magische Atmosphäre.
„Es sieht aus, als würden wieder Tränen über deine Wangen laufen. Es riecht ein bisschen nach Tränen. Tränen haben tatsächlich einen Geruch, denke ich. Er geht zu Herzen. Er ist sanft, verführerisch und natürlich auch ein bisschen traurig.“
Traum und Wirklichkeit verschmelzen zu einem Handlungsstrang. Ein sechzehnjähriges Mädchen und ein siebzehnjähriger Junge verlieben sich ineinander, verlieren sich und finden sich in unterschiedlichen Realitätsebenen ihrer Seelenverwandtschaft. Wiederkehrende Bilder, Symbole, Rätselhaftes sind die Stilmittel mit denen der Autor uns erzählend verzaubert.
„Ich sauge die Abendluft tief ein, während ich nach den richtigen Worten suche. Wie drücke ich es am besten aus? »Die Menschen dort leben alle mit ihren Schatten zusammen.«“
Das Buch spielt in Japan, ohne das Japan genannt werden müsste. Die Beschreibungen beschränken sich auf das Wesentliche, der Fokus ist jederzeit klar. Genaueste Beoachtungen in Verbindung mit Metaphern, einfacher Sprache, wenig Fremdwörtern. Und über Allem liegt der Schleier eines großen unbestimmten und daher unaussprechlichen Geheimnisses.
„Den Blick auf die Welt, der sich mir damals offenbarte, sollte kein Mensch je zu sehen bekommen. Aber jeder von uns trägt diese Welt in sich. Ich trage sie in mir, Sie tragen sie in sich. Dennoch ist ihr Anblick nicht für menschliche Augen bestimmt. Deshalb verbringen wir die meiste Zeit unseres Lebens mit geschlossenen Augen.“
Murakami hat dieses große Werk bereits vor 40 Jahren in einer Kurzgeschichte angedacht, jedoch erst im Laufe der letzten vier Jahre zur Reife gebracht. Der Roman ist lang – ohne langatmig zu sein, denn die Kapitel haben eine optimale Länge und können jedes für sich genossen werden. Nach etwa einem Drittel des Buches, erwartet uns am Ende von Kapitel 23, ein unerwarteter plot twist.
Am liebsten würde ich gar nicht aufhören zu lesen. Glücklicherweise habe ich noch 472 Seiten ungelesen vor mir liegen.
„Am Nachmittag begann es zu schneien. Unzählige weiße Flocken fielen lautlos vom Himmel auf die Stadt. …“
Daniel Schreiber, derzeit wohl bester Essayist Deutschlands, hat mit diesem Buch noch ein sensibles und gesellschaftlich sehr relevantes autobiografisches Essay abgeliefert, das sich an seine beiden vorherigen Bücher „Allein“ und „Nüchtern“ anschließt – die ich allerdings wahrscheinlich sogar mit der gleichen Begeisterung noch lesen werde.
Die Zeit der Verluste von Daniel Schreiber Hanser Berlin, 2023 Gebunden, 144 Seiten ISBN 978-3446278004 13,3 x 1,8 x 20,8 cm EUR 22,- Kindle EUR 16,99 Hörbuch EUR 10,-
Er beschreibt in dem Buch einige Tage intensiver innerer Einkehr, die er sich nach mehr als einem Jahr pausenloser Geschäftigkeit gönnen muss, um nicht vor die Hunde zu gehen. Die immer wieder verdrängte Trauer, um den Tod seines Vaters holt ihn hier und jetzt ein und bringt ihn dazu, Verlust und Trauer – eher noch die Unfähigkeit zur Trauer – im Spiegel der Gesellschaft zu reflektieren.
„Manchmal bin ich mir nicht sicher, um wen oder um was ich trauere, ob ich das vermeintlich Kleine und das vermeintlich Große, meinen privaten Alltag und die Weltgeschichte, noch trennen kann.“
Dabei entlarvt er die teils zynischen Bilder und Rituale, die wir um das Sterben, den Tod, den Verlust und die Trauer gewoben haben, um uns nicht wirklich im aktiven Leben und Streben damit auseinandersetzen zu müssen. Wir lernen Facetten der Trauerabwehr kennen, die Süchte, die uns helfen, unsere Ohnmacht gegenüber dem Unvermeidlichen auszublenden, zu betäuben.
„In Büchern, Artikeln und den Fernsehnachrichten wurde so anhaltend über eine Zeitenwende und manchmal sogar eine Apokalypse gesprochen, dass ich eine Abneigung gegen diese Worte entwickelte, gegen ihre Hülsenhaftigkeit, die mehr verdeckte als beschrieb.“
Venedig im Nebel als Handlungsort seiner Selbst- und Weltbetrachtung ist perfekt gewählt: „dieses skrupulös bewahrte Museum seiner selbst“. Eine Ode an die Stadt und ihre vergängliche Schönheit. „Es ist ein Ort, der mit unseren inneren Aggregatzuständen spielt, der uns bewusst machen kann, dass alles, von dem man glaubt, es sei solide, fest und beständig, in hohem Grad fluide, dass alles vergänglich ist.“
Seine Freundin bemerkt, „dass ihr diese Stadt manchmal wie ein alter, sterbender Körper vorkomme, den man schmücke und balsamiere wie für eine festliche Beisetzung. …“ „Möglicherweise gehört es einfach zum Wesen der Stadt, dass sie einen dazu zwingt, die Kontrolle abzugeben und zuzulassen, dass man sich selbst immer mal wieder abhandenkommt.“
Wir erfahren etwas über die Kindheitserinnerungen des Autors, beleuchten kulturelle Phänomene wie Trauerlärm und Trauerschweigen, lernen die Bedeutung von ontologischer Verletzlichkeit und Subapokalypsen für unser Verständnis von Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsperspektive.
„Zeit der Verluste: mit dem Schmerz der Trauer leben zu lernen und durch ihn ins Eigentliche unseres Lebens zurückzufinden.“
Der erzählerische Wechsel zwischen Reisetagebuch, Selbstbeobachtung und philosophischer Weltschau geschieht mit genialer Leichtigkeit. Das Buch mit seinen 150 Seiten hat – obwohl es leicht lesbar ist – eine schier unglaubliche Erkenntnisdichte, mit nur wenigen Längen. Für mich mehr als ein literarischer Silberstreif am Horizont in diesem grauen Novemberwetter.
Habe ich schon mal erwähnt, dass gute Bücher fast von selbst den Weg zu mir finden? Bei unserer öffentlichen Bücherhalle gibt es einen Korb, der Flohmarkt heißt. Dort kann man ausgemusterte Exemplare – drei Stück für nen Euro – mitnehmen. Dieses Goldstück war dabei.
Der Freund von Sigrid Nunez Übersetzung Annette Grube Roman Gebunden Aufbau Verlag, 2020 Gebunden, 235 Seiten ISBN 978-3351034863 12,5 x 2,4 x 21,5 cm EUR 20,- Taschenbuch EUR 12,- eBook EUR 9,99 MP3-CD EUR 10,-
Im Klappentext schreibt Johanna Adorján: „ Auf fast jeder Seite wollte ich mir mehrere Sätze anstreichen, bis ich es irgendwann gelassen habe, man kann ja nicht ein ganzes Buch anstreichen. …“ – was mich neugierig machte.
Noch nie habe ich etwas so tiefsinniges, geistreiches, stilvollendetes und doch gleichzeitig leichtes und unterhaltsames über die Beziehung zwischen Mensch und Tier – hier einer deutschen Dogge – gelesen. Der Roman ist streckenweise auch ein Essay über Freundschaft und Liebe, Altern und Trauer. Gegen Ende überrascht uns ein literarischer plot twist.
Ein Weckruf für politisches Umdenken, der hoffentlich nicht – wie so viele andere verhallt. Das Buch richtet sich an alle, die die ursprünglichen linke Ideale nicht nur auf ihren Lippen tragen, sondern auch bereit sind, sie umzusetzen. Es ist voll unverhohlener Kapitalismuskritik, die jedoch berechtigt und belegbar ist. Die Bigotterie der westlichen Politik seit dem Kalten Krieg, im Balkan, im Iran und Irak, im Nahen Osten, in Syrien und jetzt in der Ukraine wird systematisch entschleiert.
»Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.«
Jean Jaures
Aus die Maus Der Blick von unten auf die da oben von Żaklin Nastić Das Neue Berlin, 2023 Broschiert, 192 Seiten ISBN 978-3360027566 EUR 16,- eBook EUR 12,99
Das Buch hat mir von Anfang an gefallen. Trotz der sehr komplex dargestellten politischen Sachverhalte, ist die Lektüre sehr schlüssig, da eine sehr klare und leicht verständliche Sprache verwendet wird, die mitunter sogar unterhaltsam ist: süffisant, ironisch, polemisch. Das Buch ist ein Manifest der politischen Position und parlamentarischen Arbeit der Autorin. Authentisch, sympathisch unnachgiebig. Ich kaufe es ihr ab!
Wer Erde und Menschen im Interesse des Profits ausbeutet und auf diese Weise weltweit für wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit sorgt, wer Kriege führt und Menschen tötet, hat das moralische Recht verwirkt, anderen die Maßstäbe für Freiheit und Demokratie zu diktieren.
Żaklin Nastić schreibt über die wirklich sehr sinnvolle Arbeit ihrer Partei, DIE LINKE, die mittels Kleiner Anfragen im Bundestag die Entscheidungen der Mainstream-Politik kritisch beleuchtet. Der gesellschaftliche Hintergrund und die politischen Erfahrungen der Autorin machen ihre Argumentation überaus glaubhaft. Die Inhalte wirken gründlich recherchiert und sind fast alle mit Quellen belegt.
Kleine Fragen müssen auf Wissen gründen, einen realen und nachweislichen Grund haben und, wie es heißt, zielführend sein. Schüsse ins Blaue bringen nichts. Man muss genau wissen, was man will. Es ist wie Schach spielen. Mögliche Züge, d. h. die erwartbaren Reaktionen muss man im Voraus planen und darauf die nächsten Fragen ausrichten.
Leider muss man dem Verlag ein mangelhaftes Lektorat vorwerfen. Der Fehlerteufel hat mehrfach zugeschlagen; beispielsweise „Gander Gap“. Trotzdem war es für mich eine wertvolle Lektüre, nicht zuletzt, weil es mir wieder einmal geschichtliche und politische Zusammenhänge vor Augen führt, die man nur allzu gern verdrängt, um das System, in dem wir uns alle mehr oder weniger bequem eingerichtet haben, nicht infrage stellen zu müssen.
Arno Geiger nimmt uns mit bei der Betrachtung von drei Jahrzehnten seines Doppellebens als Autor und Altpapierarchivar. Das Buch ist ein harmonischer Wechsel von reduzierter Schilderung und essayistischer Kontemplation, gelungenen Selbstzuschreibungen und uneitler Selbstergriffenheit. Es ist keine seichte Beichte, sondern ein Tagebuch der enthusiastischen Selbstbeobachtung und Selbstreflexion. Die dabei eher beiläufig wirkende sprachliche Kunst ist die herausragende Stärke des Autors.
„Denn in den Müll kommt, was erledigt ist, und in diesem Erledigten gibt eine Gesellschaft Auskunft über sich selbst. Für Archäologen sind ehemalige Stadtgräben, die mit Abfall aufgefüllt wurden, Goldadern. Die Archäologen wissen: Das Erledigte verkörpert eine Epoche so gut wie das bedeutendste Kunstwerk. Im Müll wohnt die Wahrheit. Und die Wahrheit muss irgendwann heraus: Das Leben besteht aus Unordnung, Verwirrung, Dreck und Tod. Wie ein wüst hingeschütteter Misthaufen ist die schönste, vollkommenste Welt.“ … „So kam es, dass ich vom guten Weg abwich und aufs Geratewohl losmarschierte auf ein Terrain, das gekennzeichnet ist von Schmutz und fehlender Schicklichkeit. Ich geriet in etwas hinein, das sich zunächst als Irrsinn erwies und später als eine gute Sache.“
Das glückliche Geheimnis von Arno Geiger Carl Hanser Verlag, 2023 Gebunden, 240 Seiten ISBN 978-3446276178 13,5 x 2,3 x 20,8 cm EUR 25,- eBook EUR 18,99
Das Buch hat mir richtig viel Lese- und Lebenslust gegeben. Die freudige Erregung des Protagonisten über seine geheimen Funde in den Altpapiercontainern Wiens und die Freude über das Teilen dieser Schätze mit uns, springt auf jeder Seite über. Ähnliche Gefühle hat bei mir nur der Text von Hermann Hesse „Über das Glück“ hervorgerufen. Auch in den Texten Geigers liegt etwas Verheißungsvolles. Das Glück kommt aus dem Moment und verbleibt auch dort.
„Es war beglückend, nach einer zur Gänze absolvierten Runde mit K. Kaffee zu trinken, ihr das Gefundene zu zeigen und darüber zu reden. Später hielt ich einen Mittagsschlaf, abgeschieden von der Welt. Ich legte mich aufs Bett mit einem zufälligen, am Vormittag gefundenen Buch. Ich las in diesen Büchern anders als in gekauften Büchern, in freudiger Erregung, als falle mir etwas vom Himmel in die Schürze. Irgendwann nickte ich ein und schlief so fest, dass ich nichts mehr hörte vom Rumoren der Stadt.“
Das glückliche Geheimnis geht weit über das „literarische Containern“ hinaus. Wir werden mitgenommen durch die Irrungen und Wirrungen eines Literatenlebens mit all seinen Höhen und Tiefen. Über die Grenzen des Erwartbaren hinaus, lässt uns Arno Geiger an Erfolgen und Mißerfolgen seines beruflichen und privaten Lebens teilhaben. Es geht um die Kunst des Aufbewahrens und Entsorgens, des Einordnens und Neubewertens, um Retrospektion und Vergänglichkeit. Es ist ein Buch über das Altern und die Weisheit, über die Selbstbegegnung und das Staunen, über die Lebensfülle und das Auswählen.
„Ich begriff, dass das echte Leben gewöhnlich ist und trotzdem vielschichtig und dass auch ein vielschichtiger Satz gelassen formuliert sein kann. Es stellt erstaunlich hohe Ansprüche, einen schlüssigen Gedanken zu for mulieren, der nicht in jeder Sekunde signalisieren will, wie bedeutend er ist. Das am wenigsten wichtige Stück des hochkulturellen Ballasts, mit dem ich mich bisher getragen hatte, warf ich schrittweise ab: das sprachliche Auftrumpfen. Ich nahm mir vor, ein Künstler des Ungekünstelten zu werden.“
Ein Geheimnis dieses Textes ist die Vielschichtigkeit der Einsichten, von denen keine nur privat daherkommt, sondern alle in einem Großen Ganzen gesehen werden. Neben Bezügen zu Sören Kierkegaard, Arno Schmidt und Marcel Proust haben mich besonders die Ausführungen über die auch von mir hochverehrte Agnès Varda („Schutzheilige der Abfallsammler“) und Greta Thunberg berührt. Ein gutes Buch ist zwar nicht vordergründig, jedoch auch immer – politisch.
„Der Film [Die Sammler und die Sammlerin] ist eine Spurensuche, wie tief das Herumstreifen und Sammeln in die Natur des Menschen eingeschrieben ist, ein Nachdenken über das Sammeln als Kulturtechnik, als menschliches Grundbedürfnis, egal ob aus Not oder Neigung. Meist findet es am Rand der Wohlstandsgesellschaft statt, am Rand der Hauptrouten industrieller Verwertung. Immer fällt irgendwo etwas ab, ein Rest, um den es schade wäre, wenn er verlottern, verrotten oder verschrottet würde. Agnès Varda teilte mir mit, es finde sich auch im Wertlosen ein Reichtum, wenn man nur willens ist, ihn zu suchen.“
„Ganz nebenbei gesagt, mir gefällt Greta Thunberg, diese meistens ernst, geradezu finster dreinblickende Person mit ihren dünnen Zöpfen. Greta Thunberg ist als Verletzliche kenntlich, und es hat für mich etwas Überzeugendes, dass eine verletzliche Person für Verletzliches eintritt, nicht bittend, sondern anklagend. Greta Thunberg personifiziert ihr Anliegen. Ich stehe auf ihrer Seite.“
Vor zwei Wochen habe ich zu lesen begonnen. Normalerweise brauche ich für ein zu besprechendes Buch ein Wochenende. Hier habe ich das Ende der Lektüre so lang es geht hinausgezögert. Ich wollte einfach nicht, dass das Buch endet; so intensiv hat es mich über weite Passagen in Beschlag genommen. Mehr als einhundert Notizen habe ich angefertigt und fast ein Fünftel des Buches für Zitate kopiert.
„Darf er das überhaupt? Diese Frage wird stehenbleiben, weil Einigkeit nicht erzielt werden kann, das weiß ich. Mich haben immer die Grauzonen angezogen, in den Grauzonen verbirgt sich das eigentlich Menschliche. In der Grauzone fordert der Mensch die Gesellschaft heraus, und in diesem Spannungsfeld entwickeln sich beide.“
Das eBook hatte ich mir auf mein kleines iPhone kopiert, was in allen Lebenslagen einen intimen Zugang zum Stoff möglich macht. Neue Literatur lese ich meist so, ältere Bücher eher auf Papier, aus dem Antiquariat. Ich halte das für ressourcenschonend und eBooks landen zumindest nicht im Altpapier.
Ein Weltverbesserer der anderen Art, den wir hier kennenlernen, der mit seinem zarten Habitus, flankiert von stoischem Gerechtigkeitssinn und einem hohen Grad an Einfühlungsvermögen, eine glanzvolle Karriere in der Designbranche hingelegt und mit seinem vortrefflichen Sinn für Ästhetik unsere Welt schöner und richtiger gemacht hat. Rückblick auf ein erfülltes Leben. Im Vorwort huldigt Antoine Wagner, Urenkel des Komponisten und Freund und Vertrauter von Peter Schmidt, den Designer als kosmopolitischen Poeten und präzisen Beobachter:
„Der Kontrast zwischen dem Minimalismus seines Werks und der Opulenz seines Wissens bleibt einmalig.“
Der Designer Peter Schmidt: Eine Biographie von Bernadette Schoog Berg & Feierabend Verlag, 2020 Gebunden, 240 Seiten ISBN 978-3948272050 14,1 x 2,6 x 21,7 cm EUR 24,-
Das Buch hat mir eine Freundin zum Geburtstag geschenkt. Selbst hätte ich es wohl nicht gekauft, da mich Biografien nicht sonderlich ansprechen – obwohl mich der Designer Peter Schmidt immer interessiert hat. Zweimal habe ich ihn persönlich getroffen; erst bei einem Vorstellungsgespräch in den 1980er-Jahren, später bei einer Feier im Hamburger Museum für Völkerkunde. Viel verbindet mich mit dem Menschen, der vom Alter her mein Vater sein könnte: Auch ich bin passionierter Designer, bin in einer Gärtnerei aufgewachsen, stehe der taoistischen Philosophie nahe und schreibe gelegentlich Haiku-Gedichte. Bei der Lektüre des Buches muss ich mich immer wieder ermahnen, dass ich nicht den Designer selbst, sondern das Buch über sein Leben rezensiere.
Erschienen ist das Buch eine Woche vor dem ersten Corona-Lockdown, nachdem Peter Schmidt im Dezember zuvor zum Hamburger des Jahres gekürt wurde. Sein designerisches Werk ist aus unser aller Leben nicht wegzudenken: Seine Parfumflakons, Erscheinungsbilder und Logos aber auch Porzellanservice und Bühnenbilder sind weltweit anerkannt und wurden vielfach prämiert. Bereits 2010 kam das Buch „Inszenierte Welten“ über den Gestalter Peter Schmidt heraus. Jetzt, mit Anfang 80, der richtige Zeitpunkt über eine aktuelle Darstellung nachzudenken. Die vorliegende leicht zugängliche Biografie hat er zusammen mit der Moderatorin und Autorin Bernadette Schoog verfasst.
Auch wenn die einzelnen Kapitel über das schillernde Leben des Designers in der dritten Person und im streckenweise gelängten plauderhaften und mit Anekdoten und Zitaten gespickten Erzählstil einer Home Story geschrieben sind, lässt sich dahinter die nicht ganz uneitle Gesprächsführung und Handschrift des Designers vermuten, der sich erst am Ende des Buches in der ersten Person altersweise und moralisch äußert:
„Wir haben unser aller Schicksal in die Hände von Menschen gelegt, die gar nicht mehr verstehen, wie schön das Leben sein kann. Viele Politiker sind nur noch an ihrer eigenen Karriere interessiert und nicht mehr an ihren Aufgaben zum Wohl der gesamten Gesellschaft. Die Unternehmen haben Angst und erstarren in Althergebrachtem, anstatt zu begreifen, dass sich alles verändern wird, alles, unser Leben, unsere Umwelt, unser Dasein. Sehr gerne würde ich noch einmal leben, um zu sehen, was aus all dem geworden ist, …“
Überhaupt wird das Buch erst im letzten Drittel richtig interessant, wenn der Designer kritische Betrachtungen über sein Leben und Wirken durchblicken lässt. Wichtig scheint ihm vor allem der persönliche Kontakt zu den Menschen seiner diversen „Familie“, die aus engen Freunden, Adoptivkindern, Geschäftspartnern und anderen Verbündeten und Seelenverwandten besteht, die – wen würde es wundern – alle der Kunst, der Kultur und dem „guten“ Leben zugeneigt sind.
Viele Aspekte seines Lebens werden jedoch nur schablonenhaft dargestellt. Die Person Schmidt wird unnahbar auf einen Piedestal gestellt. Nur Eingeweihte haben einen Zugang zum Menschen Peter. Sein gesundheitliches Befinden wird nur durch die fast beiläufige Erwähnung eines Herzinfarkts gestreift. Und was mich noch interessiert hätte: Was isst er gern, wenn er schon nicht selbst kochen mag?
Dem Alterungsprozess wird jedoch die eine oder andere Bemerkung gewidmet:
„Vielleicht, so sinniert er, ist es aber auch richtig, im Alter körperlich nicht mehr so stark zu sein, den Rausch des Lebens nicht mehr so intensiv zu spüren, Glück nur noch im Betrachten einer Blume, im Lesen eines Gedichtes, im Hören einer Musik zu empfinden, um den Fokus mehr auf das Reflektieren dessen legen zu können, was gewesen ist.“
Immer wieder werden Anspruch und Haltung des Designers zitiert:
„Es geht … nicht um einen Stil, um Geschmack und Eleganz als einzige ästhetische Parameter. Sie müssen ergänzt werden um die Dimension der Moral. Es heißt, dass mehrere Freunde seine Ästhetik als »eine Form des gesellschaftlichen Widerstandes, aber auch als Bekenntnis zum Wert des Lebens, zu Schönheit, Liebe und Zukunft« bezeichnen, … alle sind sich einig: er verkörpert das Gegenteil von Langeweile und Stagnation. Immer im Umbruch, immer auf der Suche. Guter Geschmack entsteht nur dann, wenn man etwas mitzuteilen hat, so seine Überzeugung. Guter Geschmack und gutes Benehmen sind notwendig, wenn man einen kultivierten Weg gehen will. Beides bedingt sich, beides erwächst aus einer Demut vor der Aufgabe …“
Seine Attitüde und Geschmackssicherheit werden in einer Laudatio von André Heller trefflich fabulierend umschrieben:
„Der Designer Peter Schmidt sei »wahrscheinlich ein burmesischer Italiener, der sich als Deutscher tarnt. Sein Beruf ist das Schlafwandeln durch Territorien des vollkommenen Geschmacks.«“
Auch zum Designprozess gibt es anschauliche Beispiele:
„Das muss nicht zwangsläufig die für den Designer beste Lösung sein, sondern der individuell gestaltete Entwurf, um ihm ein Gefühl der Erneuerung und des Aufbruchs zu geben, das ihn [den Kunden] nicht überfordert. Und trotzdem muss bei ihm der Eindruck entstehen, die Zukunft mit den Fingerspitzen gerade schon berühren zu können. Der Designer hat vielleicht aus seiner Wahrnehmung heraus einen Entwurf vorgelegt, der einen Vorgriff auf die nächsten zehn Jahre beinhaltet Aber während der Präsentation merkt er, dass das Gegenüber maximal fünf Jahre Vorgriff aushält. … „
um dann den Entwurf anzupassen:
„So konnten sie ihrem Auftraggeber das Gefühl geben, durchaus mutig neue Wege zu beschreiten, visionär zu sein, aber ohne die Angst, der Länge nach hinzuschlagen, weil die Größe der Schritte angepasst worden war. Peter Schmidt habe immer höchsten Wert darauf gelegt, Lösungen erst dann zu finden, wenn das Problem bekannt ist. Nicht ein Überstülpen von vorgefertigten Ideen und Vorschlägen, sondern maßgeschneidert entlang der Erfordernisse des jeweiligen Kunden. …“
Alles in allem ein Buch, das mich fasziniert hat und dass ich getrost weiterempfehlen kann – vor allem bibliophil. Das Cover ist erwartungsgemäß von seinem eigenen Designteam „The Studious“ gestaltet. Das Schwarzweißfoto, das den Designer von der Seite am Tisch sitzend zeigt – vor ihm eine Wasserflasche Apollinaris – ist in sorgsam abgestuften Grautönen gehalten. Als aktive Klammer stehen der Buchrücken, die Rückseite des Umschlags, sowie Vor- und Nachsatz in scharfem Rot – eben in genau dem Apollinaris-Rot, dass sein Design so bekannt macht.
Für den Schriftsatz wurde die sehr gut lesbare ITC Legacy Serif verwendet. Die Schrifttype DIN wird in Überschriften, sowie auf dem Cover in dezenten Reliefversalien eingesetzt. Das Papier des Buchblocks ist schneeweiß, unerwartet steif, hat eine sehr angenehme Haptik und eine unverwechselbaren Klang bei Blättern. Die Abbildungen einiger Design-Highlights auf den letzten Seiten des Buches sind auf einem anderen, matt gestrichenem Kunstdruckpapier brilliant wiedergegeben. Bei aller Makellosigkeit des Gesamtwerks hat sich jedoch an drei Stellen ein kleiner Fehlerteufel zu schaffen gemacht, die ich den Herausgebern auf Verlangen gern zeigen werde.
Erstaunt hat mich, dass diese Rezension möglicherweise die erste zu diesem Buch ist. Zumindest habe ich im Internet keine weitere gefunden. Bitte um Hinweise …