DREAMBOOK

Buchbesprechungen – keine Verrisse …

Der Designer Peter Schmidt

Kein zorniger alter Mann

Ein Weltverbesserer der anderen Art, den wir hier kennenlernen, der mit seinem zarten Habitus, flankiert von stoischem Gerechtigkeitssinn und einem hohen Grad an Einfühlungsvermögen, eine glanzvolle Karriere in der Designbranche hingelegt und mit seinem vortrefflichen Sinn für Ästhetik unsere Welt schöner und richtiger gemacht hat. Rückblick auf ein erfülltes Leben. Im Vorwort huldigt Antoine Wagner, Urenkel des Komponisten und Freund und Vertrauter von Peter Schmidt, den Designer als kosmopolitischen Poeten und präzisen Beobachter:

„Der Kontrast zwischen dem Minimalismus seines Werks und der Opulenz seines Wissens bleibt einmalig.“

Der Designer Peter Schmidt: Eine Biographie
von Bernadette Schoog
Berg & Feierabend Verlag, 2020
Gebunden, 240 Seiten
ISBN 978-3948272050
14,1 x 2,6 x 21,7 cm
EUR 24,-

Das Buch hat mir eine Freundin zum Geburtstag geschenkt. Selbst hätte ich es wohl nicht gekauft, da mich Biografien nicht sonderlich ansprechen – obwohl mich der Designer Peter Schmidt immer interessiert hat. Zweimal habe ich ihn persönlich getroffen; erst bei einem Vorstellungsgespräch in den 1980er-Jahren, später bei einer Feier im Hamburger Museum für Völkerkunde. Viel verbindet mich mit dem Menschen, der vom Alter her mein Vater sein könnte: Auch ich bin passionierter Designer, bin in einer Gärtnerei aufgewachsen, stehe der taoistischen Philosophie nahe und schreibe gelegentlich Haiku-Gedichte. Bei der Lektüre des Buches muss ich mich immer wieder ermahnen, dass ich nicht den Designer selbst, sondern das Buch über sein Leben rezensiere.

Erschienen ist das Buch eine Woche vor dem ersten Corona-Lockdown, nachdem Peter Schmidt im Dezember zuvor zum Hamburger des Jahres gekürt wurde. Sein designerisches Werk ist aus unser aller Leben nicht wegzudenken: Seine Parfumflakons, Erscheinungsbilder und Logos aber auch Porzellanservice und Bühnenbilder sind weltweit anerkannt und wurden vielfach prämiert. Bereits 2010 kam das Buch „Inszenierte Welten“ über den Gestalter Peter Schmidt heraus. Jetzt, mit Anfang 80, der richtige Zeitpunkt über eine aktuelle Darstellung nachzudenken. Die vorliegende leicht zugängliche Biografie hat er zusammen mit der Moderatorin und Autorin Bernadette Schoog verfasst.

Auch wenn die einzelnen Kapitel über das schillernde Leben des Designers in der dritten Person und im streckenweise gelängten plauderhaften und mit Anekdoten und Zitaten gespickten Erzählstil einer Home Story geschrieben sind, lässt sich dahinter die nicht ganz uneitle Gesprächsführung und Handschrift des Designers vermuten, der sich erst am Ende des Buches in der ersten Person altersweise und moralisch äußert:

„Wir haben unser aller Schicksal in die Hände von Menschen gelegt, die gar nicht mehr verstehen, wie schön das Leben sein kann. Viele Politiker sind nur noch an ihrer eigenen Karriere interessiert und nicht mehr an ihren Aufgaben zum Wohl der gesamten Gesellschaft. Die Unternehmen haben Angst und erstarren in Althergebrachtem, anstatt zu begreifen, dass sich alles verändern wird, alles, unser Leben, unsere Umwelt, unser Dasein. Sehr gerne würde ich noch einmal leben, um zu sehen, was aus all dem geworden ist, …“

Überhaupt wird das Buch erst im letzten Drittel richtig interessant, wenn der Designer kritische Betrachtungen über sein Leben und Wirken durchblicken lässt. Wichtig scheint ihm vor allem der persönliche Kontakt zu den Menschen seiner diversen „Familie“, die aus engen Freunden, Adoptivkindern, Geschäftspartnern und anderen Verbündeten und Seelenverwandten besteht, die – wen würde es wundern – alle der Kunst, der Kultur und dem „guten“ Leben zugeneigt sind.

Viele Aspekte seines Lebens werden jedoch nur schablonenhaft dargestellt. Die Person Schmidt wird unnahbar auf einen Piedestal gestellt. Nur Eingeweihte haben einen Zugang zum Menschen Peter. Sein gesundheitliches Befinden wird nur durch die fast beiläufige Erwähnung eines Herzinfarkts gestreift. Und was mich noch interessiert hätte: Was isst er gern, wenn er schon nicht selbst kochen mag?

Dem Alterungsprozess wird jedoch die eine oder andere Bemerkung gewidmet:

„Vielleicht, so sinniert er, ist es aber auch richtig, im Alter körperlich nicht mehr so stark zu sein, den Rausch des Lebens nicht mehr so intensiv zu spüren, Glück nur noch im Betrachten einer Blume, im Lesen eines Gedichtes, im Hören einer Musik zu empfinden, um den Fokus mehr auf das Reflektieren dessen legen zu können, was gewesen ist.“

Immer wieder werden Anspruch und Haltung des Designers zitiert:

„Es geht … nicht um einen Stil, um Geschmack und Eleganz als einzige ästhetische Parameter. Sie müssen ergänzt werden um die Dimension der Moral. Es heißt, dass mehrere Freunde seine Ästhetik als »eine Form des gesellschaftlichen Widerstandes, aber auch als Bekenntnis zum Wert des Lebens, zu Schönheit, Liebe und Zukunft« bezeichnen, … alle sind sich einig: er verkörpert das Gegenteil von Langeweile und Stagnation. Immer im Umbruch, immer auf der Suche. Guter Geschmack entsteht nur dann, wenn man etwas mitzuteilen hat, so seine Überzeugung. Guter Geschmack und gutes Benehmen sind notwendig, wenn man einen kultivierten Weg gehen will. Beides bedingt sich, beides erwächst aus einer Demut vor der Aufgabe …“

Seine Attitüde und Geschmackssicherheit werden in einer Laudatio von André Heller trefflich fabulierend umschrieben:

„Der Designer Peter Schmidt sei »wahrscheinlich ein burmesischer Italiener, der sich als Deutscher tarnt. Sein Beruf ist das Schlafwandeln durch Territorien des vollkommenen Geschmacks.«“

Auch zum Designprozess gibt es anschauliche Beispiele:

„Das muss nicht zwangsläufig die für den Designer beste Lösung sein, sondern der individuell gestaltete Entwurf, um ihm ein Gefühl der Erneuerung und des Aufbruchs zu geben, das ihn [den Kunden] nicht überfordert. Und trotzdem muss bei ihm der Eindruck entstehen, die Zukunft mit den Fingerspitzen gerade schon berühren zu können. Der Designer hat vielleicht aus seiner Wahrnehmung heraus einen Entwurf vorgelegt, der einen Vorgriff auf die nächsten zehn Jahre beinhaltet Aber während der Präsentation merkt er, dass das Gegenüber maximal fünf Jahre Vorgriff aushält. … „

um dann den Entwurf anzupassen:

„So konnten sie ihrem Auftraggeber das Gefühl geben, durchaus mutig neue Wege zu beschreiten, visionär zu sein, aber ohne die Angst, der Länge nach hinzuschlagen, weil die Größe der Schritte angepasst worden war. Peter Schmidt habe immer höchsten Wert darauf gelegt, Lösungen erst dann zu finden, wenn das Problem bekannt ist. Nicht ein Überstülpen von vorgefertigten Ideen und Vorschlägen, sondern maßgeschneidert entlang der Erfordernisse des jeweiligen Kunden. …“

Alles in allem ein Buch, das mich fasziniert hat und dass ich getrost weiterempfehlen kann – vor allem bibliophil. Das Cover ist erwartungsgemäß von seinem eigenen Designteam „The Studious“ gestaltet. Das Schwarzweißfoto, das den Designer von der Seite am Tisch sitzend zeigt – vor ihm eine Wasserflasche Apollinaris – ist in sorgsam abgestuften Grautönen gehalten. Als aktive Klammer stehen der Buchrücken, die Rückseite des Umschlags, sowie Vor- und Nachsatz in scharfem Rot – eben in genau dem Apollinaris-Rot, dass sein Design so bekannt macht.

Für den Schriftsatz wurde die sehr gut lesbare ITC Legacy Serif verwendet. Die Schrifttype DIN wird in Überschriften, sowie auf dem Cover in dezenten Reliefversalien eingesetzt. Das Papier des Buchblocks ist schneeweiß, unerwartet steif, hat eine sehr angenehme Haptik und eine unverwechselbaren Klang bei Blättern. Die Abbildungen einiger Design-Highlights auf den letzten Seiten des Buches sind auf einem anderen, matt gestrichenem Kunstdruckpapier brilliant wiedergegeben. Bei aller Makellosigkeit des Gesamtwerks hat sich jedoch an drei Stellen ein kleiner Fehlerteufel zu schaffen gemacht, die ich den Herausgebern auf Verlangen gern zeigen werde.

Erstaunt hat mich, dass diese Rezension möglicherweise die erste zu diesem Buch ist. Zumindest habe ich im Internet keine weitere gefunden. Bitte um Hinweise …

Buch bestellen: https://bergundfeierabend.de/peter-schmidt/

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