DREAMBOOK

Buchbesprechungen – keine Verrisse …

Emotionales Interaktionsdesign

Die Größe ist nicht entscheidend

Es gibt eine Welt jenseits des iPhone. Projezierte Benutzerführungen wie im Film „Minority Report“ rücken technisch in greifbare Nähe. Wie jedoch sieht es mit der Bedienung der Interfaces der Zukunft aus?

Emotionales Interaktionsdesign
Gesten und Mimik interaktiver Systeme
Rainer Dorau
X.Media.Press: Springer, Berlin, 2011
Gebunden, 266 Seiten, illustriert
ISBN 978-3642031007
EUR 59,95

Der Titel ist zunächst etwas irreführend. Wer in dem Buch „Emotionales“ im Sinne dekorativer, romantischer oder zeitgeistiger Gestaltungsvorschläge erwartet, wird enttäuscht. Es geht um praxisnahes, strukturiertes Entwickeln moderner Multitouch-Interfaces, die dem Benutzer neben rationalen Ergebnissen auch emotionale Erlebnisse – sprich User Experience – ermöglichen; also um die Entzauberung der Magie, die hinter dem Erfolg gestengesteuerter Eingabegeräte steckt.

Das Buch ist etwas für professionelle UI-Entwickler aber auch für jeden, der verstehen möchte, was sich hinter dem Screen seines iPhone abspielt. Der Autor versteht es den Stoff klar zu gliedern und die Materie gut zu erklären. Manchmal etwas langatmig, jedoch mit gutem Lesefluss. Die Abbildungen und Bildunterschriften ergänzen das Verständnis des Textes optimal. So wird das anfangs etwas sperrig erscheinende Buch nach den ersten Seiten Lektüre zum spannenden Begleiter für einige Tage. In einem Rutsch schafft man es nicht…

Am Ende ist der Entwickler bereit für das nächste herausfordernde Projekt – der interessierte Leser um einiges gewiefter im Umgang mit dem Smartphone.
Es werden wenig Fragen offen gelassen. Eingangs wird der Rahmen für die folgenden Kapitel gesteckt: Mensch-System-Interaktion, gerätegestützte Interaktion, Gestensteuerung, Multitouch-Anwendungen, Gestenkomposition und Visualisierung der Interaktion. Wir erfahren etwas über das Interaktions-Repertoire traditioneller Eingabe- und Ausgabegeräte wie Desktop-Maus und Monitor im Vergleich zu avancierten Werkzeugen wie Trackpads, Multitouch-Multiuser-Screens, 3D-Mäusen, Automotive Controllern und Handhelds wie beispielsweise Wii.

Im Detail erläutert werden die systemischen Grundlagen der bekannten und oft intuitiv verständlichen Gestensteuerung – wie zum Bespiel das rückgängig machende Schütteln im iOS. Erklärt werden Prinzipien wie Camera-Eye-Perspektive, direkte Manipulation mit Verankerung, Jog- und Shuttle-Regler, spatiale Navigation – sogar Multitouch für Blinde, wie das VoiceOver des iPhone.

In den letzten Kapiteln geht es um die typischen Multitouch-Anwendungen wie beispielsweise Scrollen und Blättern, Skalieren und Zoomen, Öffnen und Schließen aber auch um das Einrichten und Aufheben von Bediensperren. Weiter wird die Choreografie typischer Gesten in ihrer räumlichen und zeitlichen Abfolge analysiert und – sehr schön strukturiert und visualisiert – in Ereignisprofilen dargestellt.

Abgerundet wird das Ganze von inspirierenden Vorschlägen für die unterschiedlichen Modi und Stati visueller Systemrückmeldungen. Mein Fazit – ein Zitat aus dem Buch:

„Aus der Größe eines Gegenstandes lässt sich nicht (mehr) ableiten wie intelligent er ist.“

Kommentare sind geschlossen.

Right Menu Icon