DREAMBOOK

Buchbesprechungen – keine Verrisse …

Ein Monat auf dem Land

Ein sommerheller Lichtblick in der dunklen Jahreszeit

Bücher kommen nie zufällig zu mir. Dieser Roman wurde mir kurz vor einem längeren Aufenthalt in China zugespielt. Zuerst zögerte ich das Buch mitzunehmen, weil ich gern immer Lektüre dabei habe, die eine – wie auch immer geartete – Beziehung zu dem Ort hat, an dem ich mich befinde. Im Skiurlaub lese ich beispielsweise gern über historische und oft tragische Polarexpeditionen.

Ein Monat auf dem Land
von J. L. Carr
ins Deutsche von Monika Köpfer
DuMont, 2016
Gebunden, 208 Seiten
ISBN 978-3832165185
Originaltitel: A Month in the Country
9 x 1,7 x 14,4 cm
EUR 12,-

Was sollte also ein auf der britischen Insel spielender Landroman mit Ostasien zu tun haben? Um so überraschter war ich, den Protagonisten der Erzählung vor fast hundert Jahren in einer ähnlichen Situation zu finden wie ich heute: Auftragsarbeit fern der Heimat, einfache Unterbringung, keine Freunde und Bekannte, nur neue Menschen und Umstände. Ein kreativer Handwerker, der seine Arbeit liebt und kontempliert und sich im überreifen und ausklingenden Sommer sehr nach einer Frau sehnt und sich verliebt, während zu Hause eine unstete Ehefrau auf ihn wartet … oder auch nicht.

Dem Autor gelingt es, mit einer sehr persönlichen Sprache die verzauberten Momente im Leben des dem Inferno des Ersten Weltkrieg entronnenen 20-jährigen Bildrestaurators zu schildern. Aus der Erzählerperspektive haben wir Teil an einer Zeit die ach – längst passé, aber immer noch in unseren Erinnerungen weiterlebt. „Von der Vergangenheit möbliert, luftdicht, reglos, gleich längst vertrockneter Tinte in einem vor langer Zeit niedergelegten Füllfederhalter.“

Eine großartige Übersetzung ins Deutsche. Allerdings hätte ich das Buch auch gern im englischen Original gelesen. Statt einer umfassenden Rezension möchte ich mich lieber auf ein paar Zitate beschränken, die typische Sprache und Stimmungen aus dem Buch wiedergeben…

„Ihr Hals war bis zum Ansatz ihres Busens unbedeckt, und ich fühlte mich augenblicklich an ein Botticelli-Gemälde erinnert – nicht an die „Venus“, sondern an die „Primavera“. Teils lag es an ihrem wunderschönen ovalen Gesicht, teils an ihrer grazilen Art, daran, wie sie dastand. Ich hatte genügend Gemälde in meinem Leben gesehen, um wahre Schönheit zu erkennen, aber niemals hätte ich damit gerechnet, ihr an diesem abgelegenen Ort zu begegnen.“

„Aber zum Glück war das hier nicht Bagdad, und er konnte sie nicht dazu zwingen, ihr Gesicht in einem Schleier zu verhüllen, sodass andere Männer wenigstens noch bewundernde Blicke auf seinen rehäugige Angetraute werfen konnten.“

„Hier, nehmen Sie.“ Sie reichte mir eine Blüte … Diese Rose, Sara van Fleet … Ich habe sie noch immer. Zwischen zwei Buchseiten gepresst. … Eines Tages, auf einem Flohmarkt, wir ein Fremder sie finden und sich über sie wundern.“

“ Der Mond war aufgegangen, eine leichte Brise ließ die Schatten der Bäume auf dem Gerstenfeld erzittern, das weiß wie ein See dalag.“

„Danach zogen die meisten Männer ihre Jacken aus und enthüllten ihre Hosenträger sowie die daran befestigten elastischen Schlaufen ihrer wollenen Unterhosen, und sie verblüfften ihre Kinder, weil sie herumalberten wie große Jungen. Die verliebten Pärchen sonderten sich ab, die Frauen saßen im Gras und plauderten ausgiebig. Und so verging mit Essen, Trinken, Dösen, Sich-Lieben der Tag, bis am Abend die Pferde von ihrer Weide geholt und wieder eingespannt wurden. Dann, als der erste Stern am Firmament erschien und Schwalben über dem Farngestrüpp kreuz und quer hin und her schossen, holperte unser Wagen wieder gemächlich von der Hochebene … ins Tal hinab …“

„Die Vorgärten der Cottages quollen über vor Majoran und Rosen, Margeriten und Bartnelken, und nachts verströmten die Levkojen ihren betörenden Duft. Das in Grün getauchte Tal lag morgens reglos da, die flimmernde Mittagshitze dämpfte das Rattern der gen Norden und Süden fahrenden Züge, während sich kleine Schattenpfützen unter den Bäumen sammelten.“

„Bevor ich mich schlafen legte, trat ich nochmals ans Fenster. Und tatsächlich – der erste Herbsthauch lag in der Luft, ein Gefühl der Verschwendung, des Sehnens, Nehmens und des Bewahrenwollens, bevor es zu spät ist.“

Die Lektüre des Büchleins kann man wunderbar auf einer dreistündigen Bahn- oder Flugreise schaffen. Ich habe mir jedoch mehr Zeit gelassen, und es in mehreren Etappen um so genussvoller gelesen.

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