DREAMBOOK

Buchbesprechungen – keine Verrisse …

Die Stein-Strategie

Die Hunde bellen … die Karawane zieht weiter

Ich habe mich noch nie so schwer getan, an eine Rezension ranzugehen. Und dies, obwohl mich das Büchlein begeistert hat – vielleicht auch gerade weil es mir so uneingeschränkt gefallen hat. Ich schreibe keine Verrisse; dafür ist mir meine Zeit viel zu schade.

Schon durch seinen bibliophilen taubenblauen Einband mit den weißen Relief-Buchstaben fiel mir das Buch im Regal einer Hamburger Buchhandlung auf, die ich im Rahmen des Events „Eine Nacht in der Buchhandlung“ aufsuchte. Den Rest des Abends konnte ich mich nicht mehr von der Lektüre lösen und entschloss mich zu einer Besprechung.

Die Stein-Strategie
Von der Kunst, nicht zu handeln
von Holm Friebe
Carl Hanser Verlag
Gebunden, 216 Seiten
ISBN 978-3446436770
12,1 x 1,7 x 18,1 cm

Das Abstract des Buches verweist auf die Leserschaft: „Die Stein-Strategie ist weder eine Apologie der Faulheit noch ein Plädoyer für mehr Muße und Müßiggang. Sie zielt vielmehr auf die Durchsetzung eigener Interessen und Erlangung strategischer Vorteile durch Nicht-Handeln.“

Der Autor Holm Friebe ist Protagonist der digitalen Berliner Avantgarde, deren wohl bekanntester Vertreter Sascha Lobo ist. Er ist Hochschullehrer für Designtheorie und Geschäftsführer der Zentralen Intelligenz Agentur (ZIA).

Das handliche Buch mit seinen 200 Seiten, gut lesbarer Typografie auf elfenbeinfarbenen Papier ist ein journalistisch verdichteter Rundgang durch die Philosophien der Geduld, des Wartens, des Aussitzens, des Zuhörens, der Achtsamkeit und Konzentration auf das Wesentliche.

Die Dichte der Information ist bisweilen so hoch, dass ich es nicht geschafft habe, das Buch in weniger als einem halben Duzend Sitzungen durchzulesen. Auch habe ich mir bei keinem Buch bisher so viele Notizen gemacht. Dabei ist der Schreibstil sehr unterhaltsam und pointiert mit vielen augenzwinkernden Andeutungen, Wortspielen und Seitenhieben.

Der Text ist hervorragend strukturiert. Jedes Teilkonzept wird in einzelnen Kapiteln durch sinnvolle Überschriften gefasst. So viel Herzblut und Gehirnschmalz habe ich lange nicht mehr in einem Fachbuch entdecken können. Chapeau!

Ich treffe auf eine Unzahl mir bekannter und geliebter Konzepte und Namen: Vertretern der Entschleunigungsbewegung wie Hartmut Rosa, aber auch den exzellenten Theo Fischer (Gottesfischer!), der uns im Westen das „Wu Wei“ (Nicht-Handeln), das Kernkonzept des Taoismus auf bemerkenswerte Weise näher gebracht hat.

„Entweder man ist Teil des Problems oder man ist Teil der Landschaft.“ sagt Sam (Robert de Niro) im Film Ronin (1998)

Womit wir schon mitten im Thema des Buches sind … „Wenn du dich bewegst, musst du wissen, wohin. Wenn du dich nicht bewegst musst du wissen, warum.“ steht auf der Rückseite. Rolf Dobelli, Autor von „Die Kunst des klaren Denkens“ wird an gleicher Stelle zitiert: „Die Neigung zum vorschnellen Handeln in unklaren Situationen ist einer der wichtigsten Denkfehler … „

Robert Gernhardt: „Von den Steinen lernen, heißt liegen lernen.“ – oder siegen lernen!?

Das Füllhorn an Querverweisen, dass über den Leser ausgeschüttet wird ist grandios. Wir werden vertraut gemacht mit den Stein-Strategien des Aikido, der Spieltheorie, der Psychiologie von Stein-Schere-Papier, der Börsenspekulation, der Überlebenskünste. Und immer wieder schafft es der Autor den Bogen zurück zum Stein zu spannen.

„Steine sind optimal angepasst an ihre natürliche Umgebung. Quick Wins sind nicht ihr Geschäftsmodell.“

Besonders angetan hat es mir das Donald Duck Zitat, dass die Facebook-Seite des Buches ziert: „Vielleicht wenn ich mich hier hinsetze und auf die Sumpfhühner starre, die hier rumsumpfen, vermeide ich allen Ärger.“ – eine intuitive Erkenntnis. Abwarten und Tee trinken oder wenn ich einer Gefahr nicht durch Angriff oder Flucht begegnen kann, stelle ich mich einfach tot – wie ein Stein.

„Es genügt vollkommen, das Problem anzuschauen ohne darüber nachzudenken“.

Das Buch richtet sich an alle, die den Aktionismus, den Bullshit und das Zeitzerhacken unserer Tage den anderen überlassen – und ihr Leben und seine Qualität selbst bestimmen wollen – weil sie wissen oder ahnen, dass sich das aktive Warten lohnt.

Steven Jobs: „I am going to wait for the next Big Thing!“

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