DREAMBOOK

Buchbesprechungen – keine Verrisse …

Das Los

Ein Gewinn unermesslichen Werts – ein Thriller unerwarteter Wendungen

Obwohl ich kein Spieler bin und kaum zweimal in meinem Leben ein Lotterielos gekauft habe, war ich sehr auf das neue Buch von Tibor Rode gespannt. Sein Debutroman „Das Rad der Ewigkeit“ hatte mich von der ersten Seite an gefesselt.

Anders „Das Los“. Ein zwar gut geschriebener, jedoch recht verwirrender und wenig dynamischer Start mit häufigen Schwenks zwischen den Erzählebenen: Orten wie dem heutigen Mumbai, Leeds, Hamburg, New York, Las Vegas sowie dem Berlin, Leipzig und Italiens des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

Das Los
von Tibor Rode
Bastei Lübbe, 2014
Gebunden, 640 Seiten
ISBN 978-3431038934

Das Buch handelt von der Gier – neben Faulheit und Sicherheit – wohl der wichtigsten Triebfeder menschlichen Handelns. Gier in all ihren Verkleidungen und häßlichen Masken: Neid, Mißgunst, Betrug, Unterschlagung, Veruntreuung, Bauernfängerei …
Es handelt aber auch von den damit verbundenen Träumen nach ewigem Glück (im letzten Buch war es die ewige Energie) repräsentiert durch absolute finanzielle Unabhängigkeit:

„Das intensivste Glücksgefühl beim Lottospielen, sagen Glücksforscher, wird zwischen der Abgabe des Lottoscheins und der Ziehung empfunden. Während dieser Zeitspanne der Hoffnung kann der Spieler von großen Gewinn träumen.“

Und die Spannung auf den Gewinn von „unermesslichem Wert“ wird bis zum Ende des Geschichte aufrechterhalten und dann – mit einer Prise Moralin gewürzt – hollywoodmäßig aufgelöst.

Genauso genialistisch, wie in seinem ersten Thriller, schafft es der Autor die Protagonisten der Jetztzeit mit den Auswirkungen der geschichtlichen Geschehnisse in schicksalhafte Verbindung zu bringen. Einiges wird etwas manieristisch länglich ausgewalzt, jedoch immer wieder rechtzeitig durch unglaublich spannend geschriebene Passagen abgelöst.

Besonders gut gelungen ist dem Autor auch in diesem Buch das lückenlose Verweben von geschichtlich Belegtem und dicherischer Freiheit. Sehr schön ausgemalt beispielsweise die fiktiven Dialoge zwischen dem Protagonisten Signore Calzabigi und König Friedrich dem Großen.

Tibor Rode gelingt es in wenigen präzisen Sätzen, sehr genaue und lebhaft filmische Darstellungen von Personen, ihrer Kleidung, Gestik und Mimik zu geben … selten ohne gekonnte und amüsante Assoziationen des Betrachters zu reflektieren:

„Sie trug ein Kleid, das ihren Busen zur Hälfte verdeckte und ihre Schultern frei ließ. Aus der Ferne glich ihre Haut weißem Marmor aus Carrara. Ihr dunkelbraunes Haar war zu einer komplizierten Turmfrisur hochgesteckt, so dass der Betrachter sich ganz auf ihr Gesicht konzentrieren konnte. Es war schmal, und zwischen ihren wohlgeformeten Wangen prangten volle Lippen, die ihm so einladend erschienen wie ein aufgeschlagenes Federbett. In ihren Augen lag allerdings ein tiefer Schmerz. …“

„Die Art und Weise, wie er die Tasse zwischen Zeigefinger und Daumen, mit weit abgespreiztem kleinem Finger hielt und zu seinen gespitzten Lippen führte, erinnerte Calzabigi n einen Vogel an der Tränke.“

„Calzabigi neigte den Kopf, als müsse er sein Gehirn in die richtige Region seines Schädels rutschen zu lassen, um dies zu verstehen.“

Der Schutzumschlag des Hardcovers ist aufwendig gestaltet. Das – mit seinen 636 Seiten gerade noch als handlich zu bezeichnende – Buch hat ein schwarzes Lesebändchen, das bei meinem Exemplar leider etwas ausgefranst ist. Die klassische Brotschrift Caslon auf dem cremefarbenen Papier garantiert selbst bei ungünstigen Lichtverhältnissen noch gute Lesbarkeit.

Die Dramaturgie im Mittelteil des Buches ist eher schwach, jedoch muss das Crescendo der gänzlich unerwarteten Wendungen auf den letzten Seiten jeden Leser spannender Unterhaltungsliteratur überzeugen können. Zusammenführung und Auflösung der Handlungsstränge und der Schluß des Buches sind einfach großartig und rechtfertigen, trotz aller Abstriche, dann doch die fünf Sterne!

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