DREAMBOOK

Buchbesprechungen – keine Verrisse …

Bund fürs Leben

Du bist was du ißt?

oder „Wer bin ich und wenn ja wie viele?“ Solche Sprüche kommen einem in den Sinn wenn man dieses Buch liest. Sie sind überall dabei: beim Essen, auf Klo, wenn wir schlafen und wenn wir Sex haben. Ohne sie, wäre weder das Eine noch das Andere denkbar. Sie bestimmen über unsere Verdauung, unsere Launen, unsere Fitness und sogar unsere Partnerwahl – die Bakterien.

Bund fürs Leben
Warum Bakterien unsere Freunde sind
von Hanno Charisius und Richard Friebe
Carl Hanser Verlag, 2014
Gebunden, 319 Seiten
ISBN 978-3446438798
15 x 3 x 22,1 cm

Hanno Charisius und Richard Friebe – die zuvor gemeinsam ein Buch über Bio-Hacking herausgebracht haben – wissen Erstaunliches über die Welt der Mikroben zu berichten. Bakterien, Pilze und Viren sind seit Millionen von Jahren unsere Freunde und Wegbegleiter und regulieren – nein regieren die Welt! Ohne sie gäbe es Leben, so wie wir es kennen nicht.

Das Buch hat mich von der Einleitung an fasziniert. Die beiden Wissenschaftsjournalisten geben einen sehr umfangreichen und genauen Überblick über den Stand der Mikrobenforschung. Und sie haben ein klares Anliegen: die Wirkprinzipien in den Mikro-Biomen in unseren Körpern und unserer Umgebung verständlicher zu machen, mit Vorurteilen zu Hygiene und Gesundheitskult aufzuräumen und dabei auch die eine oder andere vermeindliche Tabuzone zu berühren.

Nach einer Einführung zur Entwicklungsgeschichte der Mikroorganismen geht es auf einer Reise durch den menschlichen Körper, wobei dem Darm mit seinen Abermillionen Bakterien viel Aufmerksamkeit gewidmet wird. Denn unser Verdauungssystem scheint die wichtigste Schaltstelle für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit zu sein.

Die beiden Journalisten haben umfangreiche Recherchen auf diesem Wissensgebiet angestellt, Studien herangezogen, wissenschaftliche Diskurse beleuchtet und Hintergründe zur Medizingeschichte interessant dargestellt.

Die Themenbereiche spannen von Antibiotika und Resistenzen über Autoimmunkrankheiten und Krebs. Besondere Aufmerksamkeit wird Themen wie Übergewichtigkeit und Ernährungsstörungen gewidmet, die stark im Zusammenhang mit Bakterien gesehen werden.

So lernt man erfährt den Unterschied zwischen probiotisch und präbiotisch und wie die Bakterien und deren Produkte im Stoffwechselsystem interdependent wirken. Der Leser erfährt etwas über Bakterien-Kuren bis hin zur Fäkaltherapie – dem scheinbar unerschöpflichen Lieblingsthema der Autoren.

Nach Ansicht der Autoren werden mikrobenbasierte Behandlungsmethoden „The Next Big Thing“ der Gesundheitsindustrie sein. Ein ganzes Kapitel ist der „Geldmaschine“ gewidmet. Hier werden wichtige Fragen zu Wirksamkeit und Effizienz aktueller mikrobieller Behandlungsmethoden gestellt.

Die Sprache ist meist klar und deutlich und wecken das Interesse des Lesers. Der populärwissenschaftliche Jargon ist leicht verdaulich und gebiert mitunter lustige Wortschöpfungen die sich in Titeln und Schlagworten niederschlagen. Und lädt zum Schmunzeln ein. Manches Mal ist er jedoch ein wenig anbiedernd, wenn hinkende Vergleiche mit Promis herhalten müssen, um das Verhalten von Mikroben zu schildern. Auch gibt es ellenlange Sätze, die nicht sein müssten:

„Wenn ganze Bevölkerungen, die traditionell viele durch Bakterien fermentierte Lebensmittel zu sich nehmen, gesundheitlich im Durchschnitt und bezüglich spezifischer Krankheiten besser dastehen als Bevölkerungsgruppen, die das nicht tun – und wenn dann noch versucht wird, andere mögliche Einflussfaktoren auszuschließen, und der Effekt in der Statistik trotzdem bestehen bleibt, ist das schon ein starker Hinweis.“

Insgesamt hätte man den Umfang – bei gleichem Inhalt und guter Lesbarkeit – um fast ein Drittel kürzen können. Ein Beispiel:

Original: „Aber bei den Tierversuchen gibt es zumindest eine kleine Chance auf Erkenntnisgewinn, vielleicht in Gestalt eines Hinweises auf einen möglichen biochemischen Mechanismus, den man weiter erforschen kann.“ (201 Zeichen)

Optimiert: „Die Tierversuche geben jedoch eine kleine Chance auf Erkenntnisgewinn; vielleicht in Gestalt eines weiter erforschbaren biochemischen Mechanismus.“ (146 Zeichen)

Nicht so gut gefallen haben mir die Illustrationen. Sie sind – außer auf dem Umschlag – in schwarzweiß gehalten und offensichtlich von zwei Illustratoren gezeichnet worden. Schematisierte Smiley-Bakterien haben eine rein dekorative Funktion und sollen den trockenen wissenschaftlichen Stoff optisch auflockern. Die Illustrationen an jedem Hauptabschnitts stellen die Themen der folgenden Seiten symbolisch in einer Bleistiftzeichnung dar; sind aber teilweise so schlecht gezeichnet, dass man besser auf sie verzichtet hätte. Sie werten das Buch nicht auf.

Trotz dieser kleinen Schönheitsfehler und Schwächen ist dieses Buch meine uneingeschränkte Empfehlung für alle Leser, die den menschlichen Körper nicht nur besser kennen lernen, sondern für die eigene Gesundheit auch Verantwortung übernehmen wollen. Egal ob Laien ohne jegliche Vorkenntnisse, Mediziner oder Wissenschaftler: jeder kann aus der Lektüre Erkenntnis und anwendbaren Nutzen ziehen.

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